Zeitkonten brauchen eine aktive Steuerung
Warum das unkontrollierte Anwachsen von Zeitguthaben in der Praxis viele Probleme bereiten kann und wie die Chancen von Zeitkontenmodellen gut genutzt werden können
Zeitkonten können eine feine Sache sein! Ob das die „klassischen“ Zeitsalden im Rahmen von Gleitzeitmodellen sind, oder Zeitkonten wie sie in einzelnen Kollektivverträgen ermöglicht werden (siehe zB KV der Metallindustrie), immer geht es um dieselbe Grundidee: Zeitguthaben, die aus Arbeitszeiten entstehen, die das Maß der vereinbarten Normalarbeitszeit übersteigen, sollen angespart und später dafür genutzt werden, in Perioden, in denen weniger Arbeitszeit (AZ) erbracht wird, die Unterdeckungen gegenüber der vereinbarten Normalarbeitszeit auszugleichen. Um diese Plus-/Minusbewegungen möglichst nachvollziehbar verwalten zu können, haben viele Unternehmen begonnen, in ihren Zeitverwaltungs-systemen in Analogie zu einem Bankkonto Zeitkonten einzurichten, auf denen diese Ausgleichsbewegungen abgebildet werden und die zu jedem Zeitpunkt darüber Auskunft geben, ob ein/e MitarbeiterIn die vereinbarte Arbeitszeit abgeleistet hat, bereits mehr erbracht hat (dann würde das Konto ein Guthaben aufweisen) oder eventuell auch noch Zeit schuldig ist (in dem Fall würde das Konto sogar ein Minus aufweisen).
Hier die Basisüberlegungen vereinfacht in einer Grafik dargestellt:
Abb. 1: Das Zeitkonto als „Ausgleichstopf“ für Abweichungen der geleisteten AZ im Vergleich zur vereinbarten (bezahlten) AZ (vereinfachend nur Bewegungen im Plusbereich dargestellt)
So einfach diese Grundidee ist, so kompliziert kann es in der Praxis werden. Wenn man an die Umsetzung gehen will, ergeben sich unmittelbar eine Fülle von Fragestellungen, deren Klärung nicht immer so einfach ist. Hier einige der wichtigsten Themenfelder im Überblick:
· Rechtliche Basis: Zunächst ist zu klären, auf welcher Rechtsgrundlage die angedachten Schwankungen der Arbeitszeit überhaupt ermöglicht werden können. Unser Arbeitszeitgesetz geht in seiner Ausgangsbasis noch immer von einer fixen Wochenarbeitszeit (40 Stunden) aus, die gleichmäßig auf 5 oder 6 Tage verteilt werden soll. Somit würden alle Überschreitungen der Arbeitszeit Überstunden auslösen, Unterschreitungen sind eigentlich zunächst einmal gar nicht vorgesehen. Alle Abweichungen davon (und davon gibt es in der Praxis viele) brauchen eine eigene Zulassung und sind damit zumeist nicht mehr völlig frei zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn gestaltbar.
· Gestaltungsspielraum: Wer verursacht die unterschiedliche Leistung von Arbeitszeiten eigentlich? Geht das auf Wünsche und Anliegen der ArbeitnehmerInnen zurück, oder geht die Initiative dazu vom Betrieb aus, der damit unterschiedlich starke Auslastungsszenarien ausgleichen möchte? Seinem grundsätzlichen Schutzgedanken folgend sieht das Arbeitszeitgesetz viel weiterreichende Gestaltungsperspektiven vor, wenn der Nutzen der unterschiedlichen Arbeitszeitverteilung überwiegend bei den ArbeitnehmerInnen liegt. Das klassische Beispiel dafür ist die Gleitzeit, die im Gesetz einen sehr breiten und allgemein gehalten Rahmen mit vielen weitgehenden Gestaltungsoptionen vorsieht, als Grundbedingung jedoch erfordert, dass ArbeitnehmerInnen einen wesentlichen Einfluss auf Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit nehmen können. Demgegenüber sehen alle Modelle, in denen überwiegend der/die ArbeitgeberIn die unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit aus wirtschaftlichen Gründen darstellen möchte, viel mehr Regeln und Einschränkungen zugunsten der ArbeitnehmerInnen vor. Neben dem schon angesprochenen Schutzgedanken wirkt hier auch die Überlegung, dass der wirtschaftliche Nutzen der Regelungen in aller Regel dem Unternehmen zukommt. In diesem Bereich hat der Gesetzgeber auch einige Regelungsperspektiven an die Kollektivvertragsparteien delegiert, mit der Absicht, branchenspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen zu können. In der gelebten Praxis vermischen sich diese scheinbar so klaren Interessenslagen aber immer wieder, was oftmals viele zusätzliche Gestaltungsfragen aufwirft.
· Durchrechnungszeiträume: Wenn es also unterschiedlich lange Arbeitszeiten geben darf, stellt sich natürlich (wie bei jedem Konto) die Frage, in welchem Zeitraum das Konto auch wieder ausgeglichen werden muss. Und was hat dann mehr Sinn – ein kürzerer oder ein längerer Zeitraum? Welche Vor- und Nachteile unterschiedlich lange Durchrechnungszeiträume haben können, lässt sich oftmals gar nicht so leicht beantworten. Längere Zeiträume bieten auf den ersten Blick die Chance, den Ausgleich freier gestalten zu können, brauchen aber in vielen Fällen eine gute Steuerung, weil sonst in der Praxis das Risiko groß ist, dass zu lange angespart wird, ohne dass der Verbrauch der Guthaben bewusst geplant wird. Am Ende der vereinbarten Periode bleiben dann eventuell Guthaben über, für die es rechtlich saubere Lösungen braucht. Das einfache Übertragen eines Guthabens in die nächste Periode ist oft nur unter ganz besonderen Bedingungen zulässig und mitunter auch mit erhöhten Kosten (Zuschlägen) für die Arbeitgeberseite verbunden.
Abb. 2: Beim hier dargestellten Geschäftsverlauf ist ein Quartal (linkes Bild) als Durchrechnungszeitraum jedenfalls zu kurz, besser passen 26 oder vielleicht sogar 52 Wochen (rechtes Bild)
· Minusstände: Kann das Konto auch überzogen werden – mit anderen Worten, kann es auch Minusstände (also Zeitschulden der ArbeitnehmerInnen) geben? In der Theorie ist das natürlich möglich und kommt vor allem bei arbeitgebergesteuerten Modellen mit unterschiedlichen Auslastungsszenarien immer wieder vor. Aus der langjährigen Beratungspraxis kann jedoch berichtet werden, dass Minusstände vor allem bei den Beschäftigten sehr unbeliebt sind. Die Idee, dem/r ArbeitgeberIn etwas zu schulden, ist nicht sehr populär. Für den Betrieb haben Minusstände natürlich auch das Risiko, dass eine Unterdeckung am Ende der Periode nur in wenigen Fällen (zB in der Gleitzeit) zulasten des Entgelts gegengerechnet werden kann. Im überwiegenden Teil der Fälle trifft das wirtschaftliche Risiko einer Unterdeckung den Betrieb.
· Kostenaspekte: Vor allem für die ArbeitgeberInnen ist die Frage spannend, ob die Umverteilung der Arbeitszeiten, die auf den Zeitkonten dargestellt werden soll, kostenneutral (im Fachjargon also „1:1“) erfolgen kann (wie zB im klassischen Gleitzeitmodell), oder ob allenfalls unter bestimmten Voraussetzungen Zusatzkosten (zumeist in Form von Zuschlägen) anfallen. Die Antwort darauf findet sich überwiegend nicht im Gesetz, sondern in den jeweils anzuwendenden Kollektivverträgen, die im Rahmen von arbeitgebergesteuerten Durchrechnungsmodellen häufig Zeitzuschläge vorsehen (zB in der Elektronikindustrie +25% Zeitzuschlag für die 41. – 45. Wochenstunde bei Nutzung des dort möglichen Bandbreitenmodells).
· Überstunden: Wann entstehen im Rahmen von Durchrechnungsmodellen doch auch zuschlagspflichtige Überstunden, und kann man diese auch noch in ein Zeitkontenmodell mitnehmen oder sollte in diesem Fall besser eine Auszahlung erwogen werden? Auch hier wiederum kommen die Antworten zunächst aus dem Arbeitszeitgesetz und dem anzuwendenden Kollektivvertrag. Werden die Grenzen der „umverteilbaren, durchrechenbaren“ Normalarbeitszeit überschritten, dann können natürlich sehr wohl Überstunden anfallen, die nach den Regeln der vorgesehenen Überstundenvergütung zu bewerten sind. Am Beispiel der Stein- und keramischen Industrie, die in ihrem Bandbreitenmodell von 38,5 bis 45 Wochenstunden einen Zeitzuschlag von 15% vorsieht, würden dann in einer Arbeitswoche mit 50 Stunden im Rahmen des möglichen Bandbreitenmodells für die über 45 Stunden hinaus gehenden 5 Stunden Überstundenzuschläge anfallen. In manchen praktischen Fällen wird vereinbart, dass derartige Überstunden nicht zur Auszahlung gelangen, sondern wiederum für einen späteren Zeitausgleich auf Zeitkonten angespart werden (aber dann eben aufgewertet um den entsprechenden Zuschlag). Besonders in Branchen mit sehr starken saisonalen Schwankungen können sich daraus interessante zusätzliche Gestaltungsoptionen ergeben.
Wenn es also gelungen ist, diese grundsätzlichen Fragen zu klären, und man an die konkrete Gestaltung eines Zeitmodells, das Zeitkonten nutzen soll, herangeht, werden neben den formalen und rechtlichen Themen vor allem Fragen der betrieblichen Nutzung und Steuerung relevant. Dazu hier ein paar weiterführende Überlegungen:
· Länge und Lage des Durchrechnungszeitraumes: Zumeist sehen die rechtlichen Bestimmungen einen Durchrechnungszeitraum von bis zu 1 Jahr (52 Wochen) vor, nur in der Gleitzeit könnte man sogar noch darüber hinausgehen. Keine der bekannten Regelungen sieht zwingend das Kalenderjahr als Durchrechnungsperiode vor. Um Minusstände auf den Zeitkonten zu vermeiden, würde es sich daher anbieten, die Periode so zu wählen, dass zunächst Zeiten mit einer erwarteten höheren Auslastung und erst in späteren Phasen die möglichen Unterauslastungen anfallen. Besonders in typischen Saisonmodellen empfiehlt es sich, die Durchrechnung mit einer anzunehmenden Hochsaison (und damit dem Aufbau von Guthaben) zu beginnen. Wenn die Lage der unterschiedlichen Auslastungsszenarien nicht so deutlich erkennbar sein sollte, können tiefergehende Analysen der geschäftlichen Aktivitäten (zB Kundenfrequenzmessungen, Bestellmengen oder Umsatzentwicklungen) oder auch die effektive Arbeitszeitverteilung vergangener Jahre eine gute Indikation für die richtige Lage des Durchrechnungszeitraumes geben.
Abb. 3: Die Lage des Durchrechnungszeitraumes kann bei vergleichbaren Geschäftsverläufen den entscheidenden Unterschied ausmachen. Wenn die die Durchrechnung mit einer sehr schwachen Auslastungsperiode beginnt (linkes Bild), dann verbleiben die MitarbeiterInnen über einen sehr langen Zeitraum (40 von 52 Wochen) im Minus. Im rechten Bild wurde die Lage des Durchrechnungszeitraumes so gewählt, dass die Unterauslastung erst am Ende der Periode anfällt, die MitarbeiterInnen befinden sich über die meisten Wochen in einem Plus.
· Anzahl und konkrete Ausgestaltung der Zeitkonten: Abhängig vom jeweiligen Modell wird häufig ein Konto zur Steuerung nicht wirklich ausreichen. Die Praxis zeigt, dass für eine transparente Verwaltung häufig zwei, manchmal sogar mehrere unterschiedliche Konten benötigt werden.
o Ein Konto dokumentiert alle 1:1 Bewegungen (also die unterschiedliche Verteilung der Normalarbeitszeit)
o Ein zweites Konto sammelt allenfalls durch kollektivvertragliche Bestimmungen anfallende Zeitgutschriften (in unterschiedlichen Regelungen finden sich da Zeitzuschläge von 10 – 25%, die bei Überschreitung bestimmter AZ-Grenzen anfallen)
o Ein drittes Konto könnte Überstunden sammeln, die für einen späteren Verbrauch als Zeitausgleich vorgesehen werden. Dabei ist dann auch zu klären, wie mit den entsprechenden Zuschlägen beim Ansparen oder eventuell auch Ausbezahlen verfahren werden soll (bei einem Ansparen müsste ein zusätzliches Konto geführt werden, damit es zu keiner Doppelbewertung kommt).
o Ob darüber hinaus noch ein weiteres Konto für einen langfristigen Vortrag von Guthaben eingerichtet werden soll, hängt einerseits vom rechtlichen Rahmen ab, der diesbezüglich in Österreich sehr eingeschränkt ist, andererseits natürlich auch von den denkbaren Verwendungsarten für derartig langfristig angesparte Zeitguthaben (zB Sabbatical, längere Bildungsreisen, Weiterbildung….). Echte Langzeitkonten sind in Österreich nur in Ausnahmefällen (eventuell über sehr großzügige Gleitzeitregeln) darstellbar. Modelle wie in der Metallindustrie, deren Kollektivvertrag eine maximale Ausgleichsperiode von 3 Jahren und eine Obergrenze von +/- 120 Stunden für diesen Zeitraum vorsieht, haben bis dato keine weite Verbreitung gefunden.
Diese Auftrennung hat sich insofern auch als empfehlenswert herausgestellt, als dadurch auch am Ende der Durchrechnung rasch geklärt werden kann, was mit allenfalls nicht verbrauchten Guthaben zu passieren hat. Guthaben auf dem „1:1 Konto“ würden dann in der Logik der Durchrechnung zu zuschlagpflichtigen Überstunden führen, sofern nicht im Rahmen einer Übertragungsmöglichkeit ein Übertrag in die nächste Periode erfolgen kann (was zwar in Gleitzeitmodellen möglich, aber in vielen kollektivvertraglichen Durchrechnungsmodellen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist). Guthaben, die dagegen auf einem Überstundenkonto stehen und am Ende der Periode ausgezahlt werden, sollen ja nicht nochmals beaufschlagt werden, da der Zuschlag bereits bei der Gutschrift auf das Konto abgegolten (oder auch ausbezahlt) wurde.
· Eingreifgrenzen oder Maximalstände auf den Konten: In manchen Kollektivverträgen werden für Zeitkonten Obergrenzen vorgesehen (zB KV Metallindustrie 167 Stunden, Elektronikindustrie 80 Stunden). Aber völlig unabhängig davon sollte auch aus betrieblicher Sicht gut überlegt werden, welcher Rahmen sinnvoll nutzbar ist. Wie groß sind denn erfahrungsgemäß die Schwankungsbreiten im Geschäft wirklich, was kann man diesbezüglich aus den Entwicklungen des Marktes ableiten?
Dazu ein konkretes Beispiel: Wenn man zB in der Bauwirtschaft mit ihrem nach wie vor häufigen „Winterloch“ eine geschäftlich schwache Periode von 6-8 Wochen abfedern will, und die Mitarbeiter auch nicht den gesamten Jahresurlaub in der Periode konsumieren wollen, dann können Salden von 200 Stunden oder mehr durchaus sinnvoll sein. Zusammen mit den entsprechenden Zuschlägen könnten dann zB an die 300 Stunden Guthaben erwirtschaftet werden, die zur Füllung so eines „Saisonloches“ sehr gut beitragen könnten.
Abb. 4: Hier zur Illustration ein besonders starkes Saisonmodell mit 6 Wochen komplettem Stillstand (zB Bauindustrie) gegen Ende des Durchrechnungszeitraumes, der hier mit 52 Wochen für die Zeit von 1.3. – 28.2. des Folgejahres angesetzt wurde.
Dass solche Modelle in der konkreten Umsetzungspraxis auch nicht immer auf uneingeschränkte Begeisterung der Beschäftigten stoßen, wissen alle Unternehmen, die so ein Modell gerne einführen möchten. Immer noch erscheint es manchen Leuten interessanter, anstelle eines durchgehenden, dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses lieber nur einen Saisonvertrag zu nehmen, sich die Überstunden ausbezahlen zu lassen, um sich dann während des „Saisonloches“ gerne in das bewährte System der vorübergehenden Arbeitslosigkeit zu begeben und das Arbeitslosengeld zu bekommen. Den Preis dafür trägt dann der Sozialstaat – aber das ist eine andere Geschichte, die weit über das Thema Arbeitszeit hinausgeht.
· Ungesteuerte Zeitguthaben: Die langjährige Beratungspraxis zeigt, dass sich ein „unreflektiertes“ und daher ungesteuertes Anhäufen von Zeitguthaben, manchmal in „schwindelnde“ Höhen, in vielen Fällen als nicht zielführend herausgestellt hat. Je höher ein maximaler Saldo werden kann, desto mehr Steuerung und Planung brauchen auch die entsprechenden Ausgleichsperioden. Vor allem in sehr „breit aufgesetzten“ Gleitzeitmodellen stellt sich gegen Ende der Gleitzeitperiode (=Durchrechnungszeitraum) die Herausforderung, wie in kurzer Zeit ein mehrwöchiger Zeitausgleich dargestellt werden kann. Nicht selten findet man dann genau dafür keine Lösung mehr und muss Guthaben, die nicht mehr weiter übertragen werden sollen, mit Zuschlag als Überstunden ausbezahlen. Auch dazu ein konkretes Beispiel: Eine Gleitzeitvereinbarung sieht einen Maximalsaldo von +150 Stunden vor. Das entspricht vereinfacht gerechnet fast 4 Arbeitswochen. Wenn man von einem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 5 Wochen ausgeht, dann braucht man schon einige konkrete Ideen, wie in einem Fulltime-Job 9 Wochen Abwesenheit im Jahr sinnvoll darstellbar sind (und da sind dann noch nicht einmal Krankenstände und andere Abwesenheiten mitbetrachtet).
· Instrumente: Gerade bei Gleitzeitmodellen, die bezüglich Aufbau von Zeitguthaben und deren Verbrauch keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegen, hat sich in der Praxis ein klarer Prozess mit Ober- bzw. Eingreifgrenzen vielfach bewährt. Ein gutes Instrument dafür sind Ampelkonten, die nicht erst zu einem regulierenden Eingriff zwingen, wenn die Obergrenze überschritten wird oder der Abrechnungsstichtag naht, sondern schon frühzeitig Warnsignale an ArbeitnehmerIn und Führungskraft geben, dass ein Kommunikations- und Abstimmungsbedarf gegeben ist. Ein häufig verwendeter Ansatz könnte zB vorsehen, dass Guthaben bis max. +40/-20 Stunden als „grün“ (im Sinn von ganz normal, keine Maßnahmen nötig) markiert werden, darüber hinaus bis +80/-40 Stunden die Ampel auf „gelb“ schaltet (und damit signalisiert wird, dass die weitere Entwicklung bewusst gesteuert und abgestimmt werden sollte) und darüber hinaus schaltet dann die Ampel auf „rot“. Das könnte dann bedeuten, dass zB weitere Zeitbuchungen nicht mehr automatisch, sondern nur in klarer Absprache mit der Führungskraft vorgenommen werden können. Jedenfalls zwingen hohe Salden die agierenden Personen dazu, zu klären, wo die Ursachen für den hohen Saldenauf-/-abbau liegen und wie entsprechend gegengesteuert bzw. der Zeitausgleich konkret geplant werden muss. Sollte die Ursache für den Saldenaufbau in einer außergewöhnlichen Arbeitsauslastung liegen, greifen manche Modelle dann auf die Idee zurück, einige Stunden, deren Aufbau klar betrieblich veranlasst war, unter Berücksichtigung des Zuschlages auf ein Überstundenkonto umzubuchen oder gleich auszuzahlen. Das kann die in vielen, an sich gut funktionierenden Gleitzeitmodellen doch im Einzelfall strittige Frage klären, in wie weit trotz der guten Gleitzeitperspektiven im Einzelfall hin und wieder doch Überstunden anfallen.
Abb. 5: Beispiel eines Ampelkontos
· Einbezug aller erforderlichen Prozesse und Beteiligte: Nicht unterschätzt werden sollten auch die für die aktive Gestaltung solcher Zeitmodelle erforderliche Planungs-, Verhandlungs- und Kommunikationsprozesse. Je komplexer die betrieblichen/geschäftlichen Rahmenbedingungen sind und je mehr ein Unternehmen versucht, die Perspektiven von flexiblen Zeitmodellen maximal zu nutzen, desto wichtiger wird es, dass in die konkrete Ausgestaltung alle betroffenen Stakeholder gut und umfassend einbezogen werden. Neben Personalabteilung und Betriebsrat hat es sich auch in vielen Projekten als ein wesentlicher Erfolgsbaustein herausgestellt, die operationell planenden Stellen (zB Vertrieb, Produktion, Logistik…) umfassend in den Prozess einzubeziehen. Nur damit kann sichergestellt werden, dass ein Arbeitszeitmodell gut auf die geschäftlichen Aktivitäten abgestimmt werden kann.
Alle diese Überlegungen zeigen deutlich, dass man sein Geschäftsmodell und die Entwicklung der Aktivitäten gut analysieren sollte, bevor man an die Gestaltung von flexiblen Zeitkontenmodellen gehen kann. Umfassende Analysen der bedarfstreibenden geschäftlichen Entwicklungen, die Aufschluss über eine gut gesteuerte Verteilung von Ressourcen und Arbeitszeit geben können, sind dabei unverzichtbar. In vielen Branchen geben die langfristigen Trends und Entwicklungen Hinweise zur Ausgestaltung von flexiblen Zeitkontenmodellen, die sehr gut durch betriebsinternes Zahlenmaterial ergänzt werden können. Auch eine gründliche Analyse der tatsächlich angefallenen Arbeitszeiten in der Vergangenheit zeigt oftmals erstaunlich stabile Verteilungsmuster, die einer Neuplanung sehr gut zugrunde gelegt werden können. Schon der alte Aristoteles hat in seiner Weisheit gemeint: „Die Zukunft sieht zu einem großen Teil der Vergangenheit ähnlich…!“
Kurz zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Zeitkontenmodelle, deren Grenzen und Möglichkeiten gut mit den betrieblichen Anforderungen abgestimmt sind, sehr konstruktive und sinnvolle Lösungsansätze bringen können. Ohne gezielte Steuerung und laufende Betreuung, sowie ein gutes laufendes Leistungs- und Zeitcontrolling ist allerdings das Risiko groß, dass die Kosten hoch sind, während der Nutzen von Zeitkonten eher bescheiden ausfällt.
Peter Baumgartner
Senior Consultant XIMES
Zeitkonten brauchen eine gute Steuerung